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Diplom- und Master-Arbeiten (eigene und betreute):

V. Handl:
"Interpretationsregeln für reibungslosen digitalen Datenaustausch zwischen Architektur- und Tragwerksplanung";
Betreuer/in(nen): I. Kovacic, G. Sibenik; E234 - Institut für Interdisziplinäres Bauprozessmanagement, 2022; Abschlussprüfung: 10.06.2022.



Kurzfassung deutsch:
Derzeit ist die Digitalisierung in fast allen Wirtschaftszweigen von großer Bedeutung. Der Fokus liegt hier insbesondere in der Optimierung relevanter Prozesse, welche vor allem zu einer Produktivitätssteigerung führen soll. Von diesen Entwicklungen ist unter anderem auch die Baubranche sowie deren Planung von Bauwerken betroffen. Seit mehreren Jahren verwenden viele Architekten und Tragwerksplaner für ihre Arbeit spezialisierte IT-Programme, in welchen Architektur- oder Tragwerksmodelle erstellt werden können. Exemplarisch nenne ich folgende Architekturprogramme (Autodesk Revit, Allplan Nemetschek, Graphisoft Archicad) und Statik-Programme (Dlubal RFEM, SCIA Engineer). Fokus dieser Diplomarbeit liegt auf dem Datenaustausch zw. Architektur und Tragwerksplanung, welche aus der inkompatiblen Übertragung der Daten zwischen Architektur Modell und Tragwerksmodell im digitalen Workflow immer noch mit Problemen behaftet sind. Da Architekten und Tragwerksplaner unterschiedliche Arbeits- und Betrachtungsweisen von Bauteilen haben, unterliegt ein und dasselbe Bauteil verschiedenen Darstellungen. Der Architekt stellt das Bauteil physisch da (z.B. Wand, Stütze) während der Tragwerksplaner das gleiche Bauteil analytisch (Wand als Scheibe, Stütze als Stab) betrachtet. Aus der facheinschlägigen Literatur und der Praxis ist bekannt, dass Architekturmodelle mithilfe der oben erwähnten IT-Programme in Tragwerksmodelle importiert werden können. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass derzeit keine fehlerfreie Übertragung der Daten möglich ist. Nach dem Import entstehen vor allem geometrische Ungenauigkeiten, welche die händische Nachbearbeitung des Statik-Modells bedürfen. Es besteht derzeit großes Interesse daran, diese Doppelbearbeitung zu vermeiden und Technologien sowie Applikationen zu entwickeln, die die fehlerfreie Interoperabilität zwischen den beiden Programmen ermöglicht. An dieser Stelle ist zu sagen, dass die Übertragung der Modelle nicht standardisiert ist und es zurzeit keine exakte Literatur mit den genauen Interpretationsregeln gibt, wonach die Architektur-Modelle genau in Statik-Modelle überführt werden können. Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse und Dokumentation der intuitiven Modellierungsschritte in der Tragwerks-Modellerstellung anhand der gegebenen Architekturplanung. Weiters steht die Gestaltung universeller Interpretationsregeln für die Tragwerksmodellbildung und der damit verbundene Erkenntnisgewinn im Mittelpunkt der Arbeit. Da es sehr viele intuitive Regeln zur Interpretation verschiedener Bauwerke gibt, fokussiert sich diese Arbeit auf Interpretationsregeln für Produktionshallen mit einem Flach-, Pult- oder Satteldach.Diese Arbeit gliedert sich in vier Hauptteile. Zu Beginn wurden die Interpretationsregeln in der facheinschlägigen Literatur untersucht. Aus der Literatur konnten wertvolle Interpretationen gewonnen werden. Für die Tragwerksmodellerstellung als solche wurde keine Standardisierung gefunden. Es konnte festgestellt werden, dass der Architekt im Architekturprogramm das Modell eines Bauwerks aus den virtuellen 3D-Bauteilen als physisches Modell modelliert. Der Tragwerksplaner hingegen interpretiert das Modell des gleichen Bauwerks als die Zusammensetzung einzelner Tragwerkselemente, welche im Statik-FEM-Programm aus Knotenpunkten und Linien bestehen. In der Fachliteratur wurden Regeln, welche einzelne Tragwerkselemente beschreiben, gefunden. Diese Regeln umfassen ein Kriterium, das die reinen geometrischen Eigenschaften des Elementes beschreibt, und Kriterium, das sich auf die Art und Richtung der Belastung bezieht, die das Tragwerkselement übertragt. Weiters wurden Regeln nach der Anzahl und Art der Reaktionskräfte und geometrische Position für Lagertypen aus der Literatur festgestellt. Im zweiten Teil wurde Tragwerksmodell einer Pilotstudie modelliert und parallel dazu wurden die Interpretationsregeln während der Modellierung schrittweise analysiert und dokumentiert. Als Ergebnis der Abstimmung zwischen dem Tragwerksplaner und dem Architekten wurde Statik-Konzept angefertigt. Weitere geometrische Interpretationsregeln (z.B. Anschluss Träger an Stütze), welche bei der Statik-Modellbildung verwendet wurden, wurden mithilfe Euronormen und Fachliteratur erläutert. Im dritten Teil wurden drei Teststudien (Tragwerksmodelle) mit den bereits definierten und analysierten Interpretationsregeln nachmodelliert und die Interpretationen grafisch und tabellarisch dokumentiert. Es konnte sich festhalten, dass die Interpretationsregeln aus den Teilen eins und zwei an die drei Teststudien gut anwendbar sind. Im vierten Teil wurden die erforschten Interpretationsregeln validiert. Validierung war teilweise erfolgreich. Das bedeutet die Validierung der Studie Nr. 3 gelungen ist. In der Teststudie Nr. 1 und Nr. 2 konnten die Flächenelemente nicht verglichen werden, da die entsprechenden Flächenlemente in den Praxismodellen fehlten und an Paar Stellen gewisse kleine geometrische Unterschiede vermerkt wurden. Die in dieser Arbeit vorgestellte Interpretationsregeln sind gut anwendbar im Gebiet der Industriebauten. Die Einbindung der Interpretationsregeln in einem Datenaustauschprozess zwischen dem Architekturprogramm und dem Statik-Programm sollte Automatisierung und fehlerfreien Datenaustausch ermöglichen. In diesem Fall kann der Einsatz von künstlicher Intelligenz große Chancen bieten, wobei die erforschten Interpretationsregeln Teil der Wissensbasis darstellen werden. Die in dieser Arbeit erforschte Interpretationsregeln können weiter erweitert werden, um komplexere Geometrien der 2D-Flächenelementen, und um zusätzliches Expertenwissen einzubeziehen.

Kurzfassung englisch:
Digitization is currently of great importance in almost all sectors of the economy. The focus here is particularly on the optimization of relevant processes, which should lead above all to an increase in productivity. Among other things, the construction industry and its planning of structures are also affected by these developments. For several years, many architects and structural engineers have been using specialized IT programs for their work, in which architectural or structural models can be created. Since architects and structural engineers have different ways of working with and viewing building components, one and the same building component is subject to different representations. The architect represents the component physically (e.g. wall, column) while the structural engineer considers the same component analytically (wall as a plate, column as a bar). It is known from the relevant literature and practice that architectural models can be imported into structural models with the help of software. However, it should be critically noted that currently no error-free transfer of the data is possible. After the import, mainly geometric inaccuracies occur, which require the manual post-processing of the structural model. There is currently great interest in avoiding this double processing and in developing technologies and applications that enable error-free interoperability between the two programs. At this point it should be said that the transfer of the models is not standardized and currently there is no exact literature with the exact interpretation rules according to which the architectural models can be accurately transferred into static models. This work deals with the analysis and documentation of the intuitive modeling steps in structural model generation based on a given architectural design. Furthermore, the design of universal interpretation rules for structural modeling and the related gain of knowledge is the focus of the work. Since there are a lot of intuitive rules for the interpretation of different structures, this work focuses on interpretation rules for production halls with a flat, monopitch or gable roof.This thesis is divided into four main parts. At the beginning, the rules of interpretation in the relevant literature were examined. Valuable interpretations were obtained from the literature. No standardisation was found for structural modelling as such. It was found that the architect models the model of a structure from the virtual 3D components as a physical model in the architecture programme. The structural engineer, on the other hand, interprets the model of the same structure as the composition of individual structural elements, which in the structural FEM programme consist of nodes and lines. Rules describing individual structural elements have been found in the technical literature. These rules include a criterion that describes the pure geometric properties of the element and a criterion that refers to the type and direction of the load that the structural element transmits. Furthermore, rules according to the number and type of reaction forces and geometric position were determined for bearing types from the literature. In the second part, the structural model of a pilot study was modelled and in parallel the interpretation rules were analysed and documented step by step during the modelling. As a result of the coordination between the structural engineer and the architect, structural design concept was prepared. Further geometric interpretation rules (e.g. connection of beam to column), which were used in the structural modelling, were explained with the help of European standards and technical literature. In the third part, three test studies (structural models) were re-modelled with the previously defined and analysed interpretation rules and the interpretations were documented graphically and in tabular form. It was found that the interpretation rules from parts one and two could be applied well to the three test studies. In part four, the interpretation rules explored were validated. Validation was partially successful. This means that the validation of test study no. 3 was successful. In test study no. 1 and no. 2 the surface elements could not be compared because the corresponding surface elements were missing in the practice models and certain small geometric differences were noted in pairs. The interpretation rules presented in this paper are well applicable in the field of industrial buildings. The integration of the interpretation rules in a data exchange process between the architectural programme and the structural analysis programme should allow automation and error-free data exchange. In this case, the use of artificial intelligence can offer great opportunities, where the researched interpretation rules will be part of the knowledge base. The interpretation rules explored in this work can be further extended to include more complex geometries of 2D surface elements, and to include additional expert knowledge.

Schlagworte:
Architekturmodell; Tragwerksmodell; Interpretation; BIM digital data exchange; architecture and structural design


"Offizielle" elektronische Version der Publikation (entsprechend ihrem Digital Object Identifier - DOI)
http://dx.doi.org/10.34726/hss.2022.71466

Elektronische Version der Publikation:
https://publik.tuwien.ac.at/files/publik_304328.pdf


Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.