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Diplom- und Master-Arbeiten (eigene und betreute):

S. Weissenböck:
"Eignung Bestbieterermittlung und Zuschlag bei der Vergabe von Bauaufträgen analysiert anhand der Staaten Österreich und Italien";
Betreuer/in(nen): A. Kropik, L. Prestros; Institut für interdisziplinäres Bauprozessmanagement, 2009.



Kurzfassung deutsch:
Im Lichte der aktuellen weltweiten Finanzmarktkrise und der als Gegenmaßnahme weltweit geschnürten Infrastrukturpakete wird die Bedeutung des öffentlichen Beschaffungswesens als Wirtschaftsfaktor besonders deutlich. Dabei ist dessen Einfluss auf die Wirtschaft schon
seit Jahren beträchtlich und beträgt nach Schätzung der Europäischen Kommission zwischen 15 und 20 Prozent des Bruttosozialproduktes der Europäischen Union.
Die Bereitstellung einer derart großen Menge an öffentlichem Kapital erfordert klare rechtliche Vorgaben und gewisse Prinzipien, die für alle Wirtschaftsteilnehmer Gültigkeit haben müssen. Dies gilt in besonderer Weise für die Europäische Union mit ihrem freien
Binnenmarkt und dem ausgeprägten grenzüberschreitenden Handel. Daher wurden im Laufe der Zeit mehrere europäische Vergaberichtlinien erlassen, um das öffentliche Auftragswesen in den Mitgliedsstaaten weitgehend zu vereinheitlichen. Dennoch bestehen nach wie vor
nationale Spezifika im Bereich des Vergaberechts.
Gegenständliche Arbeit unternimmt den Versuch, die wichtigen Kernbereiche des öffentlichen Auftragswesens, bestehend aus der Eignung der Bieter, den Anforderungen an die eingereichten Angebote, der Ermittlung des besten Angebotes und der Erteilung des Zuschlages, in den beiden EU-Mitgliedsstaaten Österreich und Italien zu beleuchten und einer vergleichenden Analyse zu unterziehen.

Für den Bereich der Eignung des Bieters bestehen weitreichende und tiefgehende Vorgaben der Europäischen Union. Daher ist die Regelungsfreiheit der Mitgliedsstaaten betreffend dem
Umfang der beizubringenden Eignungsnachweise äußerst beschränkt. Unterschiede bestehen jedoch in der Kontrolle der beigebrachten Nachweise. In Österreich wird die geforderte Qualifikation der Bieter bei jedem Projekt von der zuständigen Vergabestelle überprüft. In Italien hingegen erfolgt die Prüfung weitestgehend durch eine private, vom Staat überwachte Gesellschaft, der "Società organismi di attestazione" (SOA).

Die Überprüfung der eingereichten Angebote erfolgt in beiden Mitgliedsstaaten in ähnlicher
Weise, wobei das italienische Vergaberecht gegenüber dem österreichischen als restriktiver
erscheint, da insbesondere die Behebbarkeit von Mängeln kaum ermöglicht wird. Zudem darf
in Italien jeder Bieter nur ein Angebot - entweder ein ausschreibungskonformes Angebot
oder ein Alternativangebot - einreichen, wohingegen in Österreich die Einreichung von
Alternativangeboten neben einem ausschreibungskonformen Angebot zumindest unter
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bestimmten Voraussetzungen möglich ist. Erhebliche Unterschiede bestehen auch im Spezialbereich der Preisangemessenheitsprüfung, da diese in Italien - anders als in Österreich - nach einem mathematischen Algorithmus erfolgt.

Die Ermittlung des erfolgreichen Bieters wurde durch die europäischen Vorgaben mittlerweile
stark vereinheitlicht, sodass in beiden Staaten sowohl die Zuschlagsphilosophie des
technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebotes (sogenanntes Bestbieterprinzip) als auch
des niedrigsten Preises (Billigstbieterprinzip) verwirklicht ist. Unterschiede bestehen jedoch
in deren bevorzugter Anwendung. Während in Österreich eine Präferenz für das
Bestbieterprinzip besteht, wird in Italien nach wie vor das Billigstbieterprinzip mehrheitlich
angewandt.
Für die Erteilung des Zuschlages existieren weitreichende Formvorschriften seitens der
Europäischen Union. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch in der Länge der
Stillhaltefrist. Diese beträgt in Österreich 14 Tage und ist in Italien mit in der Regel 60 Tagen
mehr als viermal so lang. Der Grund hierfür liegt darin, dass in Italien die
Eignungsbescheinigung des Bieters, der den Zuschlag erhalten soll, durch die Vergabestelle
kontrolliert wird. Die Eignungsprüfung gliedert sich somit in Italien in zwei Phasen: der
Eignungsprüfung durch die SOA vor Erstellung der Bescheinigung und gegebenenfalls der
Kontrolle durch die Vergabestelle während der Stillhaltefrist.
Trotz der weitreichenden europäischen Vorgaben, die es allen Rechtsunterworfenen
erleichtert, sich in der Vergabeordnung eines anderen Mitgliedsstaates rasch zu Recht zu
finden, bestehen nach wie vor Unterschiede im Vergaberecht der Mitgliedsstaaten Österreich
und Italien. Die nationalen Akzente setzt der jeweilige Gesetzgeber dabei naturgemäß in
jenen Bereichen, die sich in der Vergangenheit als besonders problematisch erwiesen
haben. In Italien ist dies insbesondere die Bekämpfung von Korruption und Amtsmissbrauch.
In Österreich hingegen die Sorge, dass das Steuergeld nicht effizient genutzt werden könnte.
Die daraus resultierende Hauptkritik ist in beiden Staaten ident: mangelnde Effizienz des
Vergaberechts.

Kurzfassung englisch:
In the context of the worldwide banking crisis and the counteractive stimulus measures in
terms of infrastructural programs, which were put in place by many governments, the
relevance of the public procurement sector as a significant economic criterion is obvious. But
the influence of public tenders on the economy has already been notable for many years and
mounts up to be 15 to 20 percent of the gross national product (GDP) of the European
Union.
The allocation of such a high amount of public funds requires clear legal regulations and
certain principles, which are mandatory for every participant in any tendering procedure. This
applies particularly to the European Union with its convention of one domestic market place
and its distinctive cross-border trade. Therefore, several European Directives were enacted
over the course of time to harmonize a wide area of the public procurement sector.
Nevertheless, there are still national specifications in every member state of the European
Union.
This Master´s Thesis compares and analyzes the key topics of the tender procedure of two
European Union members, Austria and Italy. "Key topics" in this regard are the bidder
qualification, evaluation of bids, best bidder selection and award of contract.
Concerning the bidder qualification and notably the proof of suitability, far-reaching
regulations of the European Union already exist. Therefore and because of the reason that
European Directives are binding for all member states, the possibilities of constituting further
regulations are rather narrow. Nevertheless, differences regarding the examination of the
bidder qualification still persist. In Austria, the responsible tendering authority is required to
check if a candidate is appropriate. In Italy, the most important parts of the qualification test
are inspected by a private association, which is monitored by the government. This
association is called "SOA".
The evaluation of bids in Austria and Italy occurs similarly, even though the Italian public
procurement law is a bit more restrictive. In Italy, for example, there is a scarce possibility to
rectify an existing defect for a bid. Furthermore, every bidder is allowed to submit just one bid
(either a bid which is compliant with the tender procedure or an alternative offer). In Austria,
however, both the submission of a compliant offer and one or more alternative offers are
possible under ascertain conditions. Meaningful differences also exist in the field of
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controlling the appropriateness of costs, which is done in Italy through a mathematical
algorithm, unlike in Austria.
The selection of the best bidder was standardized through the European Directive
18/2004/EC. The two "philosophies of the award of the contract", the selection of the most
economically advantageous tender as well as the selection of the tender with the lowest
price, only had to be implemented by Austria and Italy. Differences still exist concerning the
preferred execution of the two possibilities mentioned above. As in Austria, the selection of
the most economically advantageous tender is common; in Italy the selection of the tender
with the lowest price is more usual.
Regarding the award of contract, far-reaching formal requirements on part of the European
Union were made. However, an essential difference exists concerning the length of the
standstill period. This period lasts for 14 days in Austria, whereas in Italy it stretches four
times longer, usually with a length of 60 days. The tendering authority checks the
qualification-certificate of the chosen bidder, which was issued by the SOA (vide supra). One
could say that the examination of the bidder qualification consists of two separated phases.
As of today, far-reaching European regulations make it easier to understand the public
procurement law of the various member states for all parties involved. However, there are
still many differences between the provisions in Austria and Italy. The respective national
legislative body by nature focuses on areas that have turned out to be problematic in the
past. In Italy, the public procurement law tries in particular to avoid corruption and the abuse
of authority. In Austria, the worry about a non-efficient usage of taxes governs the public
procurement law. Notwithstanding all differences, the main point of criticism aims at the
same point: the poor efficiency of public procurement law in both countries.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.