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Zeitschriftenartikel:

W Oberndorfer:
"Die Stellung der Bauwirtschaft 2002";
Zement und Beton, Heft 2 (2002), S. 1 - 2.



Kurzfassung deutsch:
Bauwirtschaft ist jener Teil der Volkswirtschaft, in der Wirtschaftssubjekte mit Dienstleistungen und Produktionsleistungen die baulichen Wünsche der Menschen und Institutionen einer Staatsgemeinschaft befriedigen. Dieser Vorgang spielt sich in einer besonderen Form, nämlich der Marktwirtschaft (Gegensatz: Planwirtschaft) ab, d.h. dass die Befriedigung der Bedürfnisse nur unter 3 Restriktionen erfolgen kann, nämlich: Arbeit, Güter und Geld sind in einer herausgegriffenen Zeitperiode begrenzt.

Die anbietenden Wirtschaftssubjekte sind i.W. 3 Gruppen: die ausführenden Unternehmungen (ÖNACE F 45), die planenden Büros (Planung und Hilfsdienste wie ÖBA, PSt, BK), die institutionalisierten Bauherrn (Bauträger, Errichtungsfirmen). Der Vollständigkeit halber werden noch die Finanzierungsunternehmungen genannt, ohne die natürlich nichts geht, die aber nicht spezifisch dem Segment BW in der VW zurechenbar sind. Manchmal werden in einer unbewussten Begriffseinengung unter BW nur die ausführenden Unternehmungen verstanden. Da dies eine Podiumsdiskussion des ÖVBB und nicht der VIBÖ ist, ist für diese Podiumsdiskussion vom umfassenden Begriff BW auszugehen.

Bauen ist ein Spiegel der Wünsche und Bedürfnisse der Gesellschaft. Jahrtausende war dieser Begriff daher positiv besetzt; Baudenkmäler aller Epochen sind für uns ein Stück Kultur und Zeugnisse eines aufstrebenden Lebensgefühls. Bauen hat immer 2 Aspekte gehabt: den Aspekt der Funktionalität (Häuser, Wasserversorgungssysteme, Straßen, Brücken) und den Aspekt der Ästhetik. Zu diesen 2 Aspekten kam in den letzten beiden Jahrzehnten als 3. Aspekt die Umweltverträglichkeit und Gesellschaftsverträglichkeit. Dies brachte in großen Teilen der Gesellschaft eine tiefe Skepsis gegenüber der Bautätigkeit mit sich.

Man sah nur mehr zerstörte Lebensräume, ungesicherte Deponien, zugeschnittene Städte, zubetonierte Wasserläufe, verschandelte Hochgebirgstäler, -Gletscher und Berge und dazu noch sog. Bauskandale, die leicht in das Negativimage der Bauwirtschaft integriert werden konnten.

Um nicht in eine depressive Stimmung zu verfallen, bringe ich einmal 3 allgemein als gesichert geltende Fakten in Erinnerung:

Erstens: gebaut wurde immer und gebaut wird immer werden. Wohnbedürfnis, Lebenserhaltung, Freizeitgestaltung, Informations- und Kommunikationsbedürfnis, Mobilitätserfordernis, Arbeitsnotwendigkeit (bzw. –bedürfnis, je nach persönlicher Erfahrung und Einstellung) und kulturelle und religiöse Aktivität verlangt permanent nach Abbau, Umbau, Neubau und Erweiterung. Die „Baumenschen“ sind in der Gesellschaft unverzichtbar.

Zweitens: Die österreichischen Planer (Architekten, Bauingenieure) sind hervorragend ausgebildet und weltweit anerkannt. Die österreichischen Bauunternehmer sind hinsichtlich Know How und Technologie international wettbewerbsfähig.

Drittens: Die Errichtung und Erhaltung von Bauwerken wird immer ein relativ konstantes Segment der Bevölkerung beschäftigen. Allerdings findet eine Umverteilung von den Bauunternehmungen zu Ausbau-, Installations- und Spezialunternehmungen statt. Die Beschäftigtenzahl in der Klasse liegt seit 1979 bei 250.000. Und das ohne den Pfusch.

Für einen Pragmatiker erhebt sich die Frage, was man tun kann, um das Bauen für die Gesellschaft verträglicher und akzeptabler zu machen und der Bauwirtschaft zu der Bedeutung im Bewusstsein der Gesellschaft zu verhelfen, die sie verdient. Ich sehe 3 Stoßrichtungen von Aktivitäten als besonders erfolgsversprechend:
- Öffentlichkeitsarbeit auf allen Ebenen (Planer, Unternehmer, Forscher), um vom Negativ-Image wegzukommen,
- Ausbildung und Weiterleitung der Bauschaffenden verbessern (inderdisziplinäres Denken und Arbeiten, soziale Kompetenz),
- Neue Organisations- und Finanzierungsmodelle, um strukturelle Schwächen bei den institutionellen Nachfragern zu überkommen.

Erstellt aus der Publikationsdatenbank der Technischen Universität Wien.